nasse-Füße-Brevet

Der Edeka in Rheinsberg verkauft Socken im Doppelpack und das ist für mich total richtig. Kaufe noch Müllbeutel und Schokoriegel, ziehe mich damit auf die Kundentoilette zurück. Lege mich dort auf den Boden und stemme die nassen/kalten Füße an die Heizung…

Aber von vorn: Wir sind als Familie unregelmäßige Stammgäste in einer Ferienwohnung irgendwo im Mecklenburger Outback. Selbst wenn man die Hunde mitzählen würde, der Ort hat weniger als 100 Bewohner. Ganz viel Landschaft, der Alltag ist weit weg, Spaziergänge an der Ostsee sind viel näher dran.

kleine Straßen in MV, dank brouter

Für den Heimweg habe ich mir das Rad eingepackt und ne Route per Brouter geplant. Studiere abends vorher die verschiedenen Wetterberichte, suche mir den trockensten raus und entscheide mich fürs Rad. Demnach soll es ein wenig nieseln und dann gut sein… mit der Routenoption „Rennrad, sehr wenig Verkehr“ finden sich sehr viele schmale, kleine Straßen und die ersten Stunden rollt es leicht dahin. In Goldberg kaufe ich beim Bäcker Kuchen, überhaupt nutze ich an diesem Tag nur Bäcker und keine Tankstellen…

Gebe bei Plau am See/Kilometer 70 eine Statusmeldung an die Familie, der Regen setzt ein. Die Ortschaften unterwegs sind sehr klein, die öffentliche Infrastruktur besteht häufig aus Bushaltestelle, Briefkasten und Glascontainern. Wer hier einen Laden oder ne Kita sucht, der wird in diesen Orten nicht fündig. Gutshäuser gibt es in allen Erhaltungszuständen, bei manchen anderen Häusern verrät nur die moderne Mülltonne den Stand der Zeit.

20 Kilometer/etwa eine Stunde vor Rheinsberg zeigen sich die Mängel in der Ausrüstung. Keine richtigen Schutzbleche und die „Winterschuhe“ sind nicht wasserdicht. Wenn ich aus dem Sattel gehe, dann spüre ich, wie das Wasser aus den Innensohlen gedrückt wird und in den Schuhen hin- und herschwappt… nicht sehr angenehm. Wenn ich Pause mache, dann brauche ich etwa drei, vier Kilometer, um meine Hände in den nassen Handschuhen wieder warm zu fahren. Dafür bleibt die Schaltung unbeeindruckt, das Rad funktioniert trotz des ganzen Schmodders problemlos.

fürs Wetter nicht ganz passend…

Ziehe dann in der Kundentoilette die nassen Socken aus, zwei Paar trockene Socken an und darüber dann die Müllbeutel. Mit wieder warmen Füßen fühle ich mich gerüstet für die verbleibenden 100 Kilometer.

Der Wind weht den Regen übers Land, im Prinzip rettet mir die Empfehlung von Eva die Tour: die Shakedry-Jacke von Gore hält mich warm und vergleichsweise trocken. Bei Kilometer 180 passiere ich Liebenwalde. Erst fühlt es sich ganz komisch an, die Häuser schirmen den Wind und den Regen ab, durch die Stadt fährt es sich sehr angenehm. Dann komme ich um die Ecke und bekomme Regen und Wind voll auf die Zwölf…. habe mich dann auch wieder daran gewöhnt…. Ein Audi-Fahrer hält im Ort kaum Abstand, ich brülle laut. Das ist ein vollgepackter, liefergelegter AudiA6 mit großem Motor, Doppelauspuff und großen Alu-Rädern, in meinem Kopf geht sofort die passende „Proll-Schublade“ auf. Das Audi-Päärchen wartet dann mit „freundlichen“ Worten auf mich, das es ja einen ganz tollen gepflasterten Radweg gäbe und ob ich mir dafür zu fein wäre. Ich erkläre, das Radwege ein blaues Schild brauchen und alles andere für Fußgänger ist. Außerdem wäre es bei dem Wetter aus deren Sicht lebensmüde überhaupt Rad zu fahren, man würde mich ja leicht übersehen. Ich habe zwei Lampen an, viele neongelbe Sachen am Körper und der Abstand wurde absichtlich nicht eingehalten… Nach dem Ortsausgang kommt dann ein richtiger Radweg mit blauen Schild, mein Ärger über die beiden hält noch 20 Kilometer an. Letzte Snickerspause in Wandlitz, es ist 19:00 Uhr. Signalisiere nach Hause, nur noch 40 Kilometer.

10 Kilometer vorm Ziel ist dann plötzlich richtig Druck in der Luft, es rauscht und pfeift. Ich habe wirklich Probleme auf dem Rad zu bleiben, die Windböen sind heftig. Muss ein Stück Gegenwind fahren, da steht dann eine 12 auf der Geschwindigkeitsanzeige. Nach einer Kurve kommt der Wind schräg von hinten, brauche kaum noch treten. Muss trotzdem das Rad festhalten. Fünf Kilometer vorm Ziel wird die Wolke noch dunkler, es fängt an zu grummeln und zu blitzen. Ein Wintergewitter! Ich will nur noch runter von der Straße, mir wird echt mulmig, es reicht! Auf dem heimischen Hof sind die Mülltonnen umgeworfen worden, ich räume noch kurz auf, schließe dann aber endlich die Tür hinter mir zu.

245 Kilometer geschafft, auch wenn es der 31.01.2023 war, das zähle ich für mich gedanklich als Februar-DIY-Brevet.

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